Die Straßenbahn aus dem Drucker – die Lindner aus Brandenburg

Ich habe im Urlaub die Zeit genutzt, um mich auch mal dem Thema Rapid Prototyping anzunehmen.

Was ist überhaupt Rapid Prototyping:

Ganz einfach kann man sagen, dass Rapid Prototyping ein 3D Druck ist. Das heißt, dass ein “Drucker” nicht nur zweidimensional auf einem Stück Papier druckt, sondern ein dreidimensionales Gebilde erstellt. Es gibt dabei verschiedene Techniken, mit denen das Gebilde hergestellt werden kann.

Dieses Verfahren wird z.B. in der Medizintechnik oder im Maschinenbau eingesetzt, wenn man schnell bestimmte Teile zur Verfügung haben muss, die sonst aufwendig hergestellt werden müssen, z.B. für Prototypen, daher auch der Name des Verfahrens.

Im Wikipedia kann man das auch nachlesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Rapid_Prototyping

Übrigens wurde ein solches Gerät (Replikator ) Mitte der 90er Jahre in der Science Fiction Serie Star Trek – Das nächste Jahrhundert als handelsübliches Gerät dargestellt. Wer hätte gedacht, dass keine 15 Jahre danach der erste Schritt in diese Richtung getan ist.

Wer meint, dass dies alles Spinnerei ist, der möge sich bitte an sein Bluetooth Headset erinnern, was in den 60er Jahren noch absoluter Science Fiction war. Damals trug ein solches Teil der Kommunikationsoffizier von Captain Kirk

Bei der niederländischen Firma Shapeways aus Eindhoven hat man die Möglichkeit seine eigenen 3D Entwürfe „drucken“ zu lassen. Shapeways bietet unterschiedliche Materialen an, mit denen die Modelle erstellt werden können. Je nach Material sind Genauigkeiten bis zu 1/10mm möglich, was die Verwendung als H0 Modell möglich macht.

Um mir einen Eindruck von den unterschiedlichen Material verschaffen zu können, habe ich mir ein H0 Modell des ASF in White, Strong & Flexibel (WSF) und Frosted Ultra Detail (FUD) bestellt.

WSF ist relativ preisgünstig, sehr stabil, aber hat leider eine raue Oberfläche, die nachbearbeitet werden muss. FUD ist hingegen deutlich teurer, aber die Oberfläche ist sehr glatt und nahezu lackierbereit.

Hier der ASF in FUD:

 

und in WSF:

Bei den Fotos ist zu berücksichtigen, dass diese mit Blitzlicht gemacht wurden, um die Oberflächenbeschaffenheit besser zeigen zu können. Auch stellen die Fotos deutliche Vergrößerungen des Modells dar. Insbesondere das Foto des ASF in WSF stellt einer Übertreibung dar.
Mit Hilfe der kostenlosen Software Google Sketchup habe mich nun ein H0 Modell eines Straßenbahnwagens konstruiert. Hier ist anzumerken, dass die Konstruktion eines 3D Modells schon eine gewisse Herausforderung darstellt und einiges an Erfahrung im 2D Konstruieren voraussetzt.

Auf dem Rechner entstand so folgendes 3D Modell des Brandenburger Lindner Triebwagen:

 

Zur Probe habe ich dieses Modell erstmal in “white strong & flexible” erstellen lassen:

Übersicht aller Teile

An der Fahrwerksblende erkannt man die Feinheiten und wie filigran der Druck ist, aber auch die raue Oberfläche.

 

Am Chassis ist die Oberflächenbeschaffenheit besser zu erkennen. Der Druck ist deutlich scharfkantiger als ein Resinabguss.

 

Als nächsten Arbeitsschritt habe ich das Gehäuse mit einem Messingbürstenschleifer in der Minibohrmaschine vorsichtig poliert und dann zweimal mit Filler grundiert. Der Rohling war danach nahezu völlig glatt. Lediglich an einigen kleinen Stellen musste ich die Oberfläche nochmal etwas abziehen.

Fahrwerksblende und Bodenplatte habe ich nicht poliert, sondern nur grundiert:

grundierte Bauteile
Das Chassi wurde danach mit der Spraydose lackiert:

Eine Fotografie mit Blitzlicht offenbart schonungslos noch sämtliche Unebenheiten, die mit bloßem Auge absolut unsichtbar sind.

 

Das Modell soll den Epoche I und II Zustand wiedergeben und erhält daher eine Detaillierung mit Hilfe von Decals:

 

Problematisch ist die Findung der korrekten Farben der Zierlinien. Bei meinem Modell orientieren sie sich am HTw 30 der Brandenburger Straßenbahn, die jedoch dahingehend falsch ist, dass zur fraglichen Zeit die Zierlinien noch in Blau gehalten waren.

Derzeit sieht das Modell so aus, nachdem die Decals vollständig aufgebracht sind. Es fehlen noch einige Details an den Fronten.


TW 36 passt sich gut in meine Modellstadt ein.

 

Fazit:

Sowohl das Material WSF, als auch FUD sind für den Modellbau gut geeignet. Es hängt von jedem selber ab, ob er sich für das preisgünstigere WSF entscheidet und den Rohling dann noch nacharbeitet oder lieber zum teureren FUD greift, um dann hinterher weniger Arbeiten zu haben.

Die Stabilität scheint bei beiden Materialien absolut ausreichend zu sein. Das Chassis des Triebwagens ist nur 1mm stark und hält auch etwas festeren Griffen gut aus.

Über die Alterung lässt sich jetzt noch nicht viel sagen. Wie bei alles Kunststoffen sollte intensive Sonneneinstrahlung auch hier vermieden werden, so dass die Lebensdauer sicherlich im Bereich von Resin oder Polystyrol liegt.

Die Konstruktion des 3D Modell ist aufwendig und birgt viele Fallen, in die man als Anfänger gerne hineintappt. Das sollte auf keinem Fall verschwiegen werden. Für mich ist es eine tolle Herausforderung, insbesondere wenn man sieht, welche Möglichkeiten sich hierdurch eröffnen. Die Fahrwerksblende mit 0,7mm Stärke und der Federung wäre mit konventionellen Mitteln nur schwer herzustellen gewesen.

Über weitere Fortschritte im 3D Druck von Straßenbahnmodellen werde ich auf meiner Webseite berichten.

 

Update 18.11.2011

Am Brandenburger Lindner waren ein paar Änderungen am Dach erforderlich. Hier das korrigierte Modell des großen Lindner aus der Serie von 1928:

Der Modell wird noch einige Details erhalten, wie z.B. Griffstangen und Scheibenwischer.
Dargestellt ist die Lackierungsvariante der Epoche 1-3A mit wasserblauen Zierstreifen.
Auch der kleine Linder musste am Dach geändert werden. Hier sieht man das Modell des TW30, der auch heute noch als historischer Triebwagen in Brandenburg a.d.H. erhalten ist.
Im Gegensatz zum TW36 hat TW30 die Zierlinien in grün. Nach 1945 wurde die Farbe der Zierlinien auf grün geändert und um die Zugehörigkeit zu erkennen, hat der historische TW30 grüne Zierlinien erhalten.

 

Wer an diesem Modell Interesse hat, der kann es im Shapeways Shop des Brandenburger Straßenbahn Museums erwerben.

3 comments to Die Straßenbahn aus dem Drucker – die Lindner aus Brandenburg

  • Manfred

    Danke für den interessanten Bericht.

  • Hallo Guido,
    auch ich lasse einige Modelle bei Shapeways in FUD drucken, bin aber bei einfachen Strukturen dazu übergegangen, diese lasern zu lassen. Zu oft wurden durch Artefakte im 3D Druck die Strukturen zerstört. Ich empfehle, die Strassenbahnkörper weiterhin in Sketchup zu konstruieren, dann den Körper virtuell abzuwickeln (zB. mit Pepakura) und von einem Laserdienstleister (z.B. Formulor) schneiden zu lassen. So baue ich u.a. Autos und Wagen. Einfaches, wie den Körper lasse ich in zB. in biegbaren Kunststoff lasern und Kompliziertes wie Drehgestelle oder Kleinteile, drucken.
    Grüße
    Jörg

    • tramspotters

      Hallo Jörg,

      danke für deinen Hinweis. Was genau für Artefakte sind bei dir denn entstanden? Ich nutze den Cloud Service von Netfabb um meine Konstruktionen prüfen zu lassen und habe bisher (ca. 25 Konstruktionen) noch keine Ausfälle gehabt.

      Gruß, Guido

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